Tatort Römervilla: Der Inschriftenfälscher von Nennig

Kennen Sie schon das grandiose Gladiatorenmosaik der Römischen Villa in Nennig? Sie sollten es sich unbedingt ansehen!

Ein herausragender Fund

  • Tatort: ein beschaulicher Winzerort an der Obermosel namens Nennig
  • Sensationsfund: ein grandioses Fußbodenmosaik mit Szenen aus dem Amphitheater
  • Tatzeit: 19. Jahrhundert

Im Jahr 1856 entdeckte ein Bauer einen Teppich aus Mosaiksteinen, als er eine Vorratsgrube ausheben wollte. Und da er ein Mann mit Sinn für Kunst und die eigene Geschichte war, schüttete er ihn nicht einfach wieder zu, sondern machte seinen Fund publik. Ihm verdanken wir, dass sich eines der bedeutendsten Kunstwerke der Römerzeit nördlich der Alpen bis heute erhalten hat! Schade, dass nicht mehr über ihn bekannt ist.

Das große Mosaik wurde zügig ausgegraben und ein Schutzbau darüber errichtet. Sie betreten ihn noch heute, wenn Sie sich den Sensationsfund ansehen. Als einer der ersten archäologischen Schutzbauten in Deutschland steht er selbst unter Denkmalschutz.

Gladiatorenmosaik in Nennig (Foto: Tom Gundelwein)
Gladiatorenmosaik in Nennig (Foto: Tom Gundelwein)

Der besondere Fund des Landwirts zog natürlich weitere Grabungen nach sich. Hohe Erwartungen waren geweckt! Ans Licht kamen aber nur für die damalige Zeit „unspektakuläre“ Mauerreste und einfache Keramikscherben. Die Römerinnen und Römer konnten offensichtlich bei ihrem Auszug alles Wichtige und Wertvolle mitnehmen, und das gönnen wir ihnen natürlich von Herzen. Aber für die damaligen Ausgräber war es eine herbe Enttäuschung. Sie waren auf Kulturschätze aus, mit denen man in Museums-, Vereins- und Privatsammlungen glänzen konnte. Der örtliche Grabungsleiter und Bildhauer Heinrich Schaeffer fürchtete gar, dass er und seine Kollegen arbeitslos würden. Wer zahlt schon für ein paar „langweilige Steine“?

Schaeffer suchte fieberhaft nach einer Lösung, wie er die Erwartungen seiner Geldgeber erfüllen könnte. Er war geschickt, hatte Phantasie – und kam auf eine zündende Idee. Warum dem Glück nicht einfach auf die Sprünge helfen?

 

Inschriftenfunde

Mitte September 1866: Eine erste Inschrift taucht laut Schaeffer auf – als Wandmalerei auf Putz. Angeblich war sie so bröselig, dass sie schnell zerfiel, aber immerhin konnte er sie vorher noch schnell abzeichnen. Zu sehen sind die Fußansätze einer Statue mit Unterschrift des Kaisers Trajan (CAES·TRAI·). War das Gebäude etwas ein kaiserlicher Palast?! Vier weitere Inschriften wurden gefunden, diesmal in schwarzer Schrift auf pompejanisch-rot bemaltem Wandputz. Von diesen gefälschten Inschriften gab es tatsächlich reale Exemplare – also anders, als bei der ersten Inschrift. Leider haben sich diese Fälschungen nicht bis heute erhalten. Zum aktuellen Ausstellungsfundus im Biodiversum (siehe unten) gehört ein Rest des Wandputzes aus dem selben Fundbereich – allerdings weist dieser keine Inschrift auf.

 

Zu schön, um wahr zu sein

Was sagen die Inschriften aus? Erfahren wir mehr über die einstigen Bewohner? Jawohl, und wir kennen sie sogar!

Dieses antike Grabdenkmal in Igel gehört zum UNESCO Welterbe!
UNESCO Welterbe Igeler Säule (Foto: Günter Dixius)

Wir sind ihnen schon beim Grabdenkmal Igeler Säule begegnet, das heute zum Welterbe der UNESCO gehört. Kaiser Trajan soll angeblich den prachtvollen Palast errichtet und ihn der Tuchhändler-Familie der Secundinier geschenkt haben, die sich mit der Igeler Säule ein Denkmal für die Ewigkeit setzen ließen. Was für ein großartiger Zufall, dass sich gerade ihre Grabsäule bis heute erhalten hat. Trajan soll auch das Trierer Amphitheater erbaut haben (nicht persönlich natürlich), und die Secundinier eröffneten es mit einer Tierhatz. Eine Geschichte wie aus dem Bilderbuch!

Die Sache fliegt auf

Wenn wir ehrlich sind, wirkt die Geschichte nicht nur wie aus dem Bilderbuch, sondern auch naiv wie eine Kindergeschichte: zu schön und einfach, um wirklich wahr sein zu können. Aber es gab durchaus Menschen, die sie glauben wollten.

Das 19. Jahrhundert war für die Archäologie eine spannende Zeit, denn die Menschen begeisterten sich immer mehr für ihre Geschichte.

  • Ab 1794 hatte Napoleon bereits veranlasst, die Trierer Porta Nigra wieder zum römischen Stadttor zurück zu bauen, nachdem sie im Mittelalter zu einer großen Doppelkirchenanlage umfunktioniert worden war.
  • 1801 wurde in Trier die „Gesellschaft für nützliche Forschungen“ gegründet, mit dem Ziel, die Trierer Altertümer zu erhalten und zu erforschen.
  • 1808 entstand die erste öffentliche Trierer Antikensammlung.
  • Mit der Freilegung und Restaurierung der antiken Großbauten ab 1816 setzte auch ihre wissenschaftliche Erforschung ein, die der preußische Staat unterstützte.
  • Der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm (später König Friedrich Wilhelm IV.) ließ die Konstantin-Basilika als christliches Gotteshaus „wieder“ aufbauen, nachdem die Stadt sie ihm 1835 geschenkt hatte. Er hielt sie für einen authentischen frühchristlichen Sakralbau und wollte damit eine Traditionslinie zu den römischen Herrschern knüpfen, vor allem zum „christlichen“ Kaiser Konstantin.

Klar, dass die Trierer Altertum-Fans nur zu gerne die Geschichte um die kaiserliche Schenkung glauben wollten! Preußische Wissenschaftler hingegen zogen die Inschriftenfunde in Zweifel und brachten die Fälscher-Diskussion bis an die Berliner Akademie der Wissenschaften. Ein riesiger Expertenstreit flammte auf. Es kam zu einer staatlichen Untersuchung, bei der man mit kriminologischen Mitteln den Fälscher überführte. Unter anderem wurden Schaeffers Grabungsarbeiter als Zeugen befragt und gaben zu Protokoll, dass er nachts bei Laternenlicht im Grabungsgelände arbeitete, offensichtlich um „Fundorte“ für den nächsten Tag zu präparieren. In der Nacht drangen aus seiner Unterkunft Meißelschläge, als er wohl eine Inschrift in Stein schlug.

Schaeffer konnte sich noch rechtzeitig vor seiner Verhaftung ins Ausland absetzen. In Nizza arbeitete er fortan als Kunstfälscher. Ein Schuldeingeständnis soll er per Brief nach Preußen geschickt haben.

 

Gladiatorenkampf, Ausschnitt aus dem Gladiatorenmosaik in Nennig (Foto: Tom Gundelwein)
Gladiatorenkampf, Ausschnitt aus dem Gladiatorenmosaik in Nennig (Foto: Tom Gundelwein)
Musiker mit Wasserorgel, Ausschnitt aus dem Gladiatorenmosaik in Nennig (Foto: Tom Gundelwein)
Musiker mit Wasserorgel, Ausschnitt aus dem Gladiatorenmosaik in Nennig (Foto: Tom Gundelwein)

Was bleibt: ein herausragendes Mosaik

Über alle Zweifel erhaben bleibt natürlich die Echtheit des grandiosen Gladiatorenmosaiks, das heute noch immer in seinem ursprünglichen Schutzhaus zu sehen ist.

 

Erlebnisangebote

Verbinden Sie einen Besuch der Römischen Villa in Nennig mit einer Entdeckungstouren nach Luxemburg und Belgien!

Ideen und Anregungen haben wir Ihnen in unserem Tourentipp Drei Länder in drei Tagen zusammengestellt.

Oder lassen Sie sich von der freien Journalistin und Autorin Jutta M. Ingala inspirieren. Über diesen Link gelangen Sie zu ihren ausführlichen Blogbeiträgen auf „6 Grad Ost“.